Neuer Ansatz zur schnellen Abschätzung zukünftiger Stromtransportbedarfe

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat es deutlich gezeigt: Neue geopolitische Konstellationen können quasi über Nacht jahrzehntelange Gewissheiten in Frage stellen oder grundlegend verändern. Auch die bewährten Instrumente zur detaillierten Planung von Energienetzen sind auf solche Umbrüche kaum eingestellt. Vor diesem Hintergrund hat ein Forscherteam unter Beteiligung von Fraunhofer IEE, Öko-Institut und der RWTH Aachen gemeinsam mit 50Hertz einen neuen Ansatz entwickelt, um zukünftige Stromtransportbedarfe schnell und gezielt abschätzen zu können. Das Projekt UPTAKE ermöglicht unkonventionelle Perspektiven auf den Transportnetz-Ausbau im Zeichen beschleunigter Klimaneutralitätspolitiken und der neuen politischen Unübersichtlichkeiten.

© Fraunhofer IEE
Entwickelte Storylines als prototypische Ausprägungen zukünftiger Energiesysteme.
© Fraunhofer IEE
Transportkapazitäten zwischen deutschen Netzregionen im Überblick.
© Fraunhofer IEE
Beispielhafte Stromaustauschkapazitäten und -mengen in der Storyline „EurOpt“.

Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz: „Um Klimaneutralität und Energiesouveränität zu erreichen, ist mehr Flexibilität vor allem beim frühen Blick auf den Stromtransportbedarf erforderlich. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben hier einen wertvollen Ansatz erarbeitet, um schneller mit disruptiven Veränderungen und politisch-wirtschaftlicher Unübersichtlichkeit umgehen zu können. Das ist vor allem auch für die Frage, wie Strom und Wasserstoff zukünftig zu den großen Industrieverbrauchern und auch zu den privaten Haushalten kommt, interessant. Nur so lassen sich Fehlinvestitionen in Infrastrukturen vermeiden, und es können effiziente Transportwege schneller identifiziert und anschließend umgesetzt werden.“

 

An dem Modell arbeiteten die Forschenden Franziska Flachsbarth und Felix Christian Matthes (Öko-Institut), Felix Frischmuth, Norman Gerhardt und Philipp Härtel (Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE) sowie Lukas Löhr und Sirkka Porada (Institut Elektrische Anlagen & Netze, Digitalisierung & Energiewirtschaft an der RWTH Aachen) mit. Mit einem interdisziplinär ausgerichteten Blick orientierten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an mehreren sogenannten Storylines, die technisch-ökonomisch, gesellschaftlich und politisch-regulatorisch getrieben sind. Diese Storylines (oder Narrative) beschreiben wichtige und insbesondere auch politisch adressier- bzw. steuerbare Pfadentscheidungen mit erheblichen Einfluss auf den Netzausbaubedarf: die Auswirkungen von Akzeptanzfragen, die Flächenverfügbarkeiten an Land und auf See, die regulatorischen Rahmenbedingungen des europäischen Strommarktes, die Ausprägung der Verbrauchs- und Transportbedarfe von Strom (Elektronen) versus Wasserstoff (Moleküle) sowie die Kapazitäten und die räumlichen Verteilungsmuster von inländischen Elektrolyseanlagen.

 

Philipp Härtel, Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik: „Staatliche Regulierungen auf europäischer Ebene kann können ebenso ein Treiber für die Energiewende sein wie Wertschöpfungsketten oder Fragen der Ressourcenverfügbarkeit. Es gilt, diese Treiber und deren pfadabhängigen Auswirkungen zukünftig besser im Blick zu haben und über ein Monitoring zu analysieren.“

 

Felix Christian Matthes, Öko-Institut: „Unser neuer Ansatz ermöglicht es, die ganze Bandbreite an Optionen und Entwicklungskorridoren besser greifbar zu machen, auf dieser Basis die politischen Weichenstellungen und regulatorischen Planungsinstrumente deutlich zielführender zu gestalten und damit den schnellen Übergang zur Klimaneutralität möglich zu machen.“

 

Sirkka Porada, RWTH Aachen: „Die Frage nach Elektronen oder Molekülen, die zukünftig durch Energienetze transportiert werden müssen, ist von zentraler Bedeutung, und entscheidet darüber, ob und zu welchen Kosten der Weg zur Klimaneutralität gelingt. Unser Ansatz soll helfen, einen gangbaren Weg zu gestalten.“

Mehr Informationen

Letzte Änderung: