Windenergie: Neue Betriebsstrategie berücksichtigt variable Produktionskosten und Strompreise für höhere Renditen

Die Direktvermarktung von Windstrom bringt maximale Rendite, wenn die Anlagensteuerung nicht nur die schwankenden Strompreise, sondern auch die sich laufend ändernden Produktionskosten – sprich die Abnutzung der Anlagentechnik – berücksichtigt. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat jetzt zusammen mit Partnern im Forschungsprojekt KORVA erstmals ein Modell entwickelt, mit dem Anlagenbetreiber dies in ihren Regelstrategien umsetzen können. Dieses Softwaretool ermöglicht ihnen, die Anlagen so zu steuern, dass Erlöse und Kosten jederzeit in wirtschaftlich optimalem Verhältnis zueinander stehen. Dabei kommen auch Verfahren des maschinellen Lernens zum Einsatz.

„Windenergieanlagen bringen Investoren den meisten Gewinn, wenn sie so betrieben werden, dass Erlöse und Kosten in einem wirtschaftlich optimalen Verhältnis stehen. Hier setzt KORVA an und erzielt deutliche Lebensdauerverlängerungen und höhere Energieausbeuten, die das Gesamtprojekt Windpark wesentlich lukrativer machen“, erklärt Dr. Boris Fischer, Projektleiter KORVA beim Fraunhofer IEE. „Das ist allerdings eine äußerst komplexe Aufgabe. Denn dafür brauchen die Anlagenbetreiber Informationen, die ihnen in der Regel bislang fehlen. Diese Lücke haben wir mit unserem Forschungsprojekt KORVA geschlossen. Damit leisten wir Pionierarbeit für die Branche – und tragen dazu bei, die Windenergie als Investitionsziel noch attraktiver zu machen.“

Leitung und Koordination von KORVA lag in den Händen des Fraunhofer IEE. Daneben waren auch die Nordex Group als Hersteller, ABO Wind als Betreiber, Steag und Statkraft als Direktvermarkter, 8.2 als Gutachter und der TÜV Süd als Zertifizierer an dem Forschungsvorhaben beteiligt. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie finanzierte dreijährige Projekt wurde Ende April 2022 erfolgreich abgeschlossen. Als Ergebnis wurden optimierte Betriebsstrategien entwickelt, die im Vergleich zu konventionellen ökonomisch wie ökologisch sinnvoller sind. Konkret führten diese in einem Fallbeispiel zu einer Verlängerung der Lebensdauer von 20,7 auf 30,4 Jahre. Der Windpark erzeugte 122% der Energie, die er ohne lastabhängige Optimierung bis zum Lebensende generieren könnte. Der Mehrertrag im Verhältnis zu einer reinen Kapitalverzinsung stieg dabei um 312 %.

Wissen über Kosten und Erlöse

Die Produktionskosten einer Windenergieanlage werden wesentlich davon bestimmt, wie stark ihre Komponenten im Betrieb abgenutzt werden. Das geschieht nicht konstant über die Lebensdauer, sondern variiert, abhängig vor allem von den Windverhältnissen. Neben Windgeschwindigkeit und -richtung sowie der Scherung ist hier ein zentraler Faktor, wie stark die Anlagen jeweils Turbulenzen ausgesetzt sind. Daher bedeutet ein hoher Erlös an der Strombörse nicht zwingend einen hohen Gewinn. Sind nämlich in dieser Zeit zugleich auch die Produktionskosten hoch, ist der Anlagenbetrieb womöglich weniger wirtschaftlich als in Stunden, in denen die Erlöse zwar geringer ausfallen, zugleich aber auch die Produktionskosten sehr niedrig sind. In diesen Fällen könnte es unter Umständen sogar sinnvoll sein, die Anlagen kurzzeitig vom Netz zu nehmen, um so ihre Lebensdauer zu verlängern – KORVA zeigt, dass die entgangenen Einnahmen über zusätzliche, höhere Erträge während der verlängerten Laufzeit mehr als kompensiert werden. Solche Entscheidungen verlangen, neben den aktuellen wie zu erwartenden Erlösen an der Strombörse auch die Produktionskosten zu den entsprechenden Zeitpunkten zu kennen. Mit diesem Wissen können Betreiber ihre Regelstrategien so gestalten und anpassen, dass der Gewinn über die Lebensdauer der Anlagen maximiert wird. Zugleich liefern sie bezogen auf ihre Gesamtlebenszeit mehr Energie, da sie dann seltener zu Stunden laufen, in denen die Abnutzung sehr groß ist. Das Projekt demonstriert, welche Erlössteigerungen in der Praxis unter gegebenen  Randbedingungen zu erwarten sind.

Optimierte Betriebsführung für maximale Rendite

Im Projekt KORVA hat das Fraunhofer IEE in Abstimmung mit seinen Partnern nun erstmals ein Optimierungstool für die Betriebsführung entwickelt, das diesen Anforderungen gerecht wird. Die neue Software erzeugt generalisierte Fahrpläne für Windparks, abgeleitet aus den zu erwartenden Erlösen und Kosten. Die Berechnungen basieren unter anderem auf Daten zu den Windverhältnissen, den Strommarktpreisen, den Betriebskosten sowie auf  Abnutzungsmodellen. In einem finalen Schritt werden diese generalisierten Fahrpläne über neu entwickelte Datenschnittstellen in die Betriebsführung integriert. Um verschiedene Standorteigenschaften abzubilden, haben die Fraunhofer-Forscherinnen und Forscher bei der Entwicklung ihres Tools meteorologische Daten von vier Windparkregionen innerhalb Deutschlands verwendet. Auswahlkriterien waren hier Stark- und Schwachwindstandorte und die Empfindlichkeit bezüglich des Windstrom-Marktwertes.

Angesichts der oftmals hohen Dynamik im Strommarkt wie auch bei den Windverhältnissen müssen die Abschätzungen der zu erwartenden Lasten und Erträge der einzelnen Anlagen sehr schnell vorliegen. Das Fraunhofer IEE verwendet deshalb für diese Aufgaben im neuen Optimierungstool ausgefeilte Algorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens – eine recheneffiziente Alternative zu mechatronischen Modellen oder kommerzieller Software.  Konkret setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier künstliche neuronale Netze ein. Diese liefern eine schnelle Abschätzung über die zu erwartenden Lasten und den Ertrag an den einzelnen WEAs bei gleichzeitig ausreichender Genauigkeit. „Unser Optimierungstool macht es Anlagenbetreibern möglich, die Betriebsführung laufend so anzupassen, dass sie ein für die Gesamtrendite optimales Verhältnis zwischen abgegebener Leistung und Abnutzung der Komponenten schafft. Das sorgt dafür, dass die Investition in den Windpark über die Lebenszeit betrachtet mehr Ertrag abwirft. Mit Blick in die Zukunft sollen auch andere Systeme mit lastabhängigen Alterungseffekten wie Batterien oder  Elektrolyseure von den in KORVA entwickelten Verfahren profitieren.“, sagt Fischer vom Fraunhofer IEE.

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