Abschluss Forschungsprojekt Kognitive Energiesysteme: KI-Agenten machen erneuerbare Energien flexibler und zuverlässiger
Die Energiewende wird mit Künstlicher Intelligenz (KI) leichter realisierbar. Sogenannte KI-Agenten können komplexe Steuerungsprozesse übernehmen, die mit der heutigen Personal- und Technikausstattung in den Unternehmen nicht zu stemmen wären. Das ist eine zentrale Erkenntnis eines dreijährigen Forschungsprogramms des Kompetenzzentrum Kognitive Energiesysteme (K-ES). Untersucht wurden die Vorteile von KI insbesondere für Netzbetrieb, Prognosen, Resilienz, Leistungselektronik, Energiemanagement, Energiehandel und weitere Zukunftsfelder der Energieversorgung.
Eine systematische Nutzung von KI ist für die Energiewirtschaft angesichts von Fachkräftemangel und komplexen Aufgaben ein vielversprechender Ansatz, um die Energiewende voranzubringen. „In einem dezentralen Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien sind Erzeugung und Verbrauch nicht mehr so leicht zu matchen wie bisher. Um die komplexen Prozesse in Echtzeit aufeinander abzustimmen, muss das Energiesystem ein Bewusstsein über seinen eigenen Zustand entwickeln und automatisiert reagieren können“, erläutert Reinhard Mackensen, Institutsleiter am Fraunhofer IEE, die Zielsetzung des K-ES.
Das K-ES hat sich auf 44 Spotlight-Projekte konzentriert, um beispielhaft zu zeigen, für welche Prozesse KI im Energiesektor sinnvoll ist. Rund 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette von den Rohstoffen über Erzeugung, Verteilung, Vertrieb bis zum Verbraucher erarbeitet. Die Spotlights beschäftigen sich insbesondere mit Netzbetrieb, Prognosen, Resilienz, Leistungselektronik, Energiemanagement, Energiehandel und weiteren Zukunftsfeldern der Energieversorgung. Für die Energiewirtschaft entsteht daraus die Chance, zum Leitmarkt dieser Technologie zu werden.
Die erforschten kognitiven Systeme können den Zustand von Energiesystemen zuverlässig bestimmen, beispielsweise bei einer Zustandsschätzung für Stromnetze. Noch dazu können einige Systeme lernen, sich selbstständig zu optimieren, wie die Agenten für den automatisierten Energiehandel. „Mit KI als Schlüsseltechnologie für Netzführung und das Management von Erzeugung und Verbrauch kann die Energiewende sicherer und kostengünstiger umgesetzt werden“, so André Baier, Co-Projektleiter am Fraunhofer IEE.
Algorithmen brauchen das richtige Training
Die Struktur der Forschungsgruppen war themenübergreifend und in Kooperation mit Partnern verschiedener Universitäten, Institute und Unternehmen angelegt. Zur Projektinfrastruktur gehörten jeweils sehr leistungsfähige Server, Modelle und Trainingsumgebungen für KI. Jedes Team hatte sechs Monate Zeit, einen bestimmen Anwendungsfall zu testen. „Ein Ergebnis über alle Anwendungsfelder hinweg ist, dass Algorithmen viel lernen können, wenn sie richtig trainiert werden. Daher stand der Aufbau einer passenden Lernumgebung für verschiedene Einsatzzwecke im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten“, resümiert André Baier.
Netzbetrieb läuft mit KI flexibler
Das Stromnetz wird künftig durch eine Vielzahl von unstetig produzierenden Anlagen stärker gefordert sein als heute. Der Einsatz von KI wird hier als vielversprechend angesehen, um die Komplexität zu meistern. So hat das Projekt KI OPF Netzzustände untersucht und dazu künstliche neuronale Netze trainiert. Das Ergebnis ist besonders für Netzbetreiber der Mittelspannungsebene interessant, da es die neuen Vorgaben für die Systemsteuerung Redispatch 2.0 unterstützt. Im Modell wurde überwachtes Lernen mit einem selbstlernenden Algorithmus kombiniert. Dabei wurde deutlich, welches Flexibilitätspotenzial im Netz möglich ist. Berücksichtigt wurden dabei insbesondere Blind- und Wirkleistung durch erneuerbare Energien und ein Ausfall einer Anlage.
„Die Forschungsergebnisse für den Netzbetrieb zeigen schon heute das Potenzial, dass in Zukunft die Automatisierung des gesamten Stromnetzes möglich wird“, ist Christoph Scholz, Co-Projektleiter am Fraunhofer IEE, zuversichtlich. Bei einem Praxistest im Rahmen des internationalen Wettbewerbs "L2RPN Challenge“ („Learn to Run a Power Network") auf Initiative des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE konnte ein selbstlernender Agent beweisen, dass er mit fluktuierenden Einspeisungen und Lasten, Wartungsarbeiten und bösartigen Angriffe umgehen kann.
Daten und Modelle für zuverlässige Prognosen
Schon heute sind die Wetteraussichten wichtige Planungsgrößen für Stromerzeuger, Netzbetreiber und Händler. Wenn künftig Sonne- und Windanlagen den größten Teil der Energielieferungen übernehmen, ist das gesamte Energiesystem auf sehr genaue Wettervorhersagen angewiesen. Eine exakte Prognose von Sonneneinstrahlung und Wolkenverhalten ist zentral für eine gute Prognose für die zu erwartende solare Stromerzeugung. Das Projekt NeuRaSat hat sich hierfür damit beschäftigt, wie Wettervorhersagen mit Satellitendaten der solaren Einstrahlung verbessert werden können. Ziel des Projekts Temporal Fusion Transformers (TFT) war die Demonstration von neuartigen Modellen basierend auf der Transformer-Technologie in Windprognosen.
KI verbessert die Resilienz bei Störungen
Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung ist essenziell für das gesamte Wirtschaftssystem. Um diese abzusichern, wurden die Möglichkeiten von KI im Projekt ARCANA getestet. Die Forschenden haben für Windenergieanlagen einen Algorithmus entwickelt, der Störfälle erklären kann. Dabei liefert das KI-System nicht nur einen Alarm, sondern gibt auch Hinweise, wie die Anlage repariert werden kann.
Die Sicherheit der KI-Methoden ist ein weiterer Aspekt, mit dem sich das K-ES eingehend beschäftigt hat: Im Projekt AAE - Adversarial Attacks im Energiesektor testeten die Forschenden die Möglichkeit von Manipulationen der Eingabedaten und Folgen für die Prognosequalität. Für einzelne Anlagen waren die Vorhersagen trotz eines simulierten Angriffs robust.
Leistungselektronik mit KI weiterentwickeln
Als Einsatzbereiche für KI in der Leistungselektronik wurden die Regelung eines Ortsnetztrafos im Projekt CTRL (Cognitive Train/Test System for Reinforcement Learning using Labs) entwickelt und die Gefahr durch ungewollte Inselnetze im Projekt Alsland reduziert.
In der Fragestellung des Projekts InvEx wurde untersucht, ob sich mit einem Expertensystem die Entwicklungszeit von Stromrichtern verkürzen lässt. Entstanden ist dabei eine Datenbank für Stromrichterbauteile und Komponenten, Topologien, Regelalgorithmen.
Energiemanagement: KI steuert Einsatzplanung
Auch bei der Betriebsführung von Anlagen kann KI unterstützen. Das Projektteam von Cognition²H2Force untersuchte das Zusammenspiel eines Windparks, eines Elektrolyseurs, eines Wasserstoffspeichers und einer Gasturbine. Der Agent konnte die Einsatzplanung des Elektrolyseurs an die Windstromerzeugung besser anpassen als ein regelbasierter Fahrplan.
Energiehandel kann flexibler und kleinteiliger werden
KI hat es im Projekt Deep Energy Trade geschafft, die erzeugte Energie eines Windparks automatisiert am Markt zu platzieren und erzielte dabei mindestens so gute Ergebnisse wie ein menschlicher Verkäufer. Der Agent lernte dabei insbesondere, Flexibilität kurzfristig anzubieten und Prognoseschwankungen auszugleichen. Die Ergebnisse zeigen, wie sich der Handel am Intra-Day-Markt vereinfachen lässt, so dass auch Marktteilnehmer handeln können, die nur kleine Mengen kaufen oder verkaufen möchten.
Weitere Zukunftsfelder im Fokus
Im Projekt DeepBirdDetect hat KI gefährdete Vogelarten aufgespürt. Die Aufgabe bestand dabei in der automatisierten Auswertung von Sounddateien mit Vogelstimmen. Das Tool erleichtert die Einschätzung, welche Flächen für den Ausbau von Windenergie unter Berücksichtigung des Artenschutzes geeignet sind.
Alle bisherigen Ergebnisse des K-ES wurden in Postern veröffentlicht und können für die Anwendung weiterentwickelt werden. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden Kompetenzen und Strukturen als Kompetenzzentrum aufgebaut, die mit Abschluss des Projektes über das Fraunhofer IEE genutzt werden können.
Bereits während der Projektlaufzeit wurde ein Ökosystem aufgebaut, in dem sich Industrie, Energiewirtschaft, Wissenschaft und Politik untereinander vernetzt hat. Ein Teil der Arbeiten des K-ES wird im Rahmen des KISSKI Projekts des BMBF übernommen mit dem Ziel ein »KI-Servicezentrum für sensible und kritische Infrastrukturen« mit den Schwerpunkten Energie und Medizin» aufzubauen. Andere Forschungsbereiche des K-ES sollen künftig im Rahmen eines Vereins koordiniert werden.
Das Aufbauprojekt Kognitive Energiesysteme wurde von der Hessischen Landesregierung in den Jahren 2020 bis 2023 mit insgesamt 5,8 Mio. Euro gefördert.
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